Durch Demütigungen zur gegenseitigen Versöhnung:
Eines Tages befanden wir uns auf der Veranda. Da kam der Guardian, Pater Emilio, völlig ausser Atem zu uns, stellte sich vor Pater Pio hin und fuhr ihn in hartem Ton an: „Pater Pio, ich habe dir gesagt, dass du niemanden zu mir schicken sollst! Warum hast du trotzdem Leute zu mir geschickt?“ „Pater Guardian, ich habe niemanden zu dir geschickt. Wenn du mir nicht glaubst, frage Pierino. Er war die ganze Zeit über hier. “ Der Pater Guardian drehte sich ruckartig um und ging weg.
Pater Pio senkte seinen Blick etwas und verweilte weiterhin liebenswürdig und mit heiterem Gesicht bei uns. Er hatte wirklich niemanden zum Guardian geschickt. Dieser schrieb vor seinem Tode einen Brief an Pater Pio, in welchem er sich entschuldigte und dafür um Verzeihung bat, dass er ihn öffentlich und privat immer wieder schlecht behandelt und gedemütigt habe.  
Don Pierino Galeone
(Aus dem Buch: "Pater Pio mein Vater" ISBN 978-3-7171-1166-5)

Papst Benedikt XVI:  Die brüderliche Zurechtweisung ist ein Werk der Barmherzigkeit. Keiner von uns kennt sich selbst gut genug, keiner kennt gut genug seine Fehler. Und so ist es ein Akt der Liebe, dass einer dem anderen zur Vervollkommnung dient, damit wir uns gegenseitig helfen, uns besser zu erkennen, uns zu verbessern. Dieses grosse Werk der Barmherzigkeit, einander zu helfen, damit jeder wirklich seine Unversehrtheit, seine Funktionsfähigkeit als Werkzeug Gottes wiederfindet, erfordert gewiss viel Demut und Liebe. Nur wenn es aus einem demütigen Herzen kommt, das sich nicht über den anderen erhebt, sich nicht als besser als der andere ansieht, sondern als einfaches Werkzeug, um einander zu helfen. Nur wenn man diese tiefe und wahre Demut empfindet, wenn man fühlt, dass diese Worte aus der gemeinsamen Liebe kommen, aus der kollegialen Zuneigung, in der wir gemeinsam Gott dienen wollen, können wir in diesem Sinn durch einen grossen Akt der Liebe einander helfen. (Aus Meditation, 03. 10. 2005)